INTERVIEW MIT RALPH DOMMERMUTH

Herr Dommermuth, wie blicken Sie auf das Geschäftsjahr 2023 zurück?

Positiv. Wir haben den Wachstumskurs der United Internet Gruppe konsequent fortgeführt und verzeichnen erneut einen Anstieg bei den wichtigsten Kennzahlen – Kundenverträge, Umsatz und operatives Ergebnis.

Im Geschäftsbereich „Access“ standen 2023 die Vorbereitungen für den erfolgreichen Start unserer mobilen Dienste im 1&1 5G Netz im Vordergrund. Unser Netz basiert auf der neuartigen Open-RAN-Technologie. Wir haben im vergangenen Jahr zentrale Weichen gestellt und es mit allen nationalen und internationalen Netzen zusammengeschaltet, die Funktionalität der mobilen Dienste mit externen Kunden-gruppen geprüft sowie eine weitreichende 5G National-Roaming-Partnerschaft mit Vodafone geschlossen. Am 8. Dezember haben wir dann die mobilen Dienste im 1&1 O-RAN freigeschaltet – eine technologische Hochleistung und ein großer Meilenstein in unserer Unternehmensgeschichte.

Mit dem Börsengang von IONOS wurde im Februar 2023 auch im Geschäftsbereich „Applications“ ein großer Meilenstein erreicht. Während IONOS von weiteren Wachstumschancen profitiert und seine starke Position als führender europäischer Digitalisierungspartner und Cloud-Spezialist weiter ausbaut, wachsen auch unsere Consumer-Marken GMX, WEB.DE und mail.com durch den vermehrten Einsatz künstlicher Intelligenz und attraktiver Cloud-Dienste weiter.

Mit dem vollständigen Funktionsumfang des 1&1 5G Netzes hat Deutschland nach dem Wegfall von E-Plus in 2014 wieder vier Mobilfunknetze. Der 8. Dezember 2023 symbolisiert also in der Tat einen Meilenstein in der Unternehmensgeschichte von 1&1 und im deutschen Telekommunikationsmarkt. Was steckt hinter der Entscheidung für den Betrieb eines eigenen Netzes – wie ist Ihre Vision?

1&1 ist seit vielen Jahren erfolgreich am Markt. Es ist Teil der DNA, uns kontinuierlich zu verändern, Chancen zu ergreifen und voranzugehen. Für den Start unseres eigenen Mobilfunknetzes hatten wir die besten Voraussetzungen: Zwölf Millionen Kundinnen und Kunden für die Anfangsauslastung, Zugriff auf das Glasfaser-Transportnetz von 1&1 Versatel, um Antennen und Rechenzentren anzuschließen, tiefgreifendes Cloud-Know-How, eine hohe Markenbekanntheit sowie bereits etablierte Vertriebskanäle. Dazu kommt ein weiterer zentraler Vorteil als neuer Netzbetreiber. Wir setzen ohne Kompromisse von Beginn an auf die neueste Technologie – vollständig virtualisiert, unabhängig von dominierenden Herstellern und bereit für Anwendungen in Echtzeit. Das 1&1 O-RAN wächst jeden Tag. Mehrere Hunderttausend neue Kundinnen und Kunden nutzen es bereits und die Migration unserer Millionen Bestandskunden auf das neue Netz ist in vollem Gange. Mit unserem eigenen 5G Netz wollen wir unsere Wertschöpfung im Mobilfunk vertiefen, den Wettbewerb beleben und Innovationen schaffen. Kurz gesagt: Wir sind angetreten, um einen Unterschied zu machen.

Open RAN ist in der Mobilfunkbranche inzwischen in aller Munde. Auch die etablierten Netzbetreiber zeigen sich zunehmend bemüht, ihre bestehenden Netze in Teilen auf die moderne Technologie umzurüsten. Wie unterscheidet sich Open RAN von traditionellen Netzen? Wie profitieren Mobilfunkkunden von der neuen Netzarchitektur?

Wir haben von Anfang an eng verfolgt, was unser heutiger Technologie-Partner und Open-RAN-Pionier Rakuten in Japan auf die Beine stellt. Seit April 2020 betreibt Rakuten dort erfolgreich das weltweit erste Mobilfunknetz auf Basis der neuen Technologie. In den USA gibt es mit Dish einen Neueinsteiger, der ein cloud-natives Netz baut. Und 1&1 ist der erste Betreiber eines Open RAN in Europa.

Während traditionelle Mobilfunknetze häufig nur von einem einzigen Hersteller bereitgestellt werden, arbeiten wir dank standardisierter Schnittstellen flexibel mit den sichersten und besten Herstellern zusammen. Völlig unabhängig von dominierenden Netz-Ausrüstern – wie beispielsweise Huawei. Bereits heute haben wir über 80 Partner und Dienstleister an Bord. Damit endet ein Anachronismus im Mobilfunk, in dem einzelne Hersteller ein geschlossenes System liefern, denn mit Open RAN gibt es keine Blackbox mehr. Sämtliche Netzfunktionen werden via Software in einer privaten Cloud gesteuert, die wir in hunderten regionalen Edge-Rechenzentren aufspannen. Diese sind auf kurze Distanzen per Glasfaser mit den Antennenstandorten verbunden. Diese Netzarchitektur ermöglicht Übertragungsgeschwindigkeiten in Echtzeit. Denn Daten werden unmittelbar in den Rechenzentren vor Ort verarbeitet und müssen nicht erst durchs Internet transportiert werden. Open RAN ist die Zukunft, da sind sich auch unsere Wettbewerber einig.

Es ist schon über ein Jahr her, dass IONOS die Glocke auf dem Frankfurter Börsenparket läutete. Wie beurteilen Sie den IPO ihres Cloud-Spezialisten aus heutiger Sicht?

IONOS hat in den vergangenen Jahren eine beeindruckende Entwicklung hingelegt und eine starke Position als führender europäischer Digitalisierungspartner für Freiberufler sowie kleine und mittlere Unternehmen erreicht. Der Börsengang war der richtige und logische nächste Schritt, um das enorme Wachstumspotenzial des Unternehmens weiter auszuschöpfen. Dass dies gut gelingt, liegt auf der Hand: IONOS ist auch 2023 gut gewachsen und generierte einen Umsatz von über 1,4 Mrd. Euro, also 10 Prozent mehr als im Vorjahr. Wir freuen uns, diese Erfolgsgeschichte als Mehrheitsaktionär weiter zu begleiten.

„Als vierter Netzbetreiber ist 1&1 angetreten, um mit der neuartigen Open-RAN-Technologie einen Unterschied im deutschen Mobilfunkmarkt zu machen!“

RALPH DOMMERMUTH

Was erwarten Sie vom Geschäftsjahr 2024?

Für das Geschäftsjahr 2024 erwarten wir ein Umsatzwachstum auf ca. 6,5 Mrd. Euro. Unser EBITDA soll trotz zusätzlicher Ausgaben für unsere Zukunftsthemen auf 1,42 Mrd. Euro zulegen. Wir werden weiterhin kraftvoll investieren, vor allem in den Ausbau unseres Glasfaser- und Mobilfunknetzes. Der Cash-Capex soll entsprechend bei 10 – 20 % über dem Vorjahreswert liegen.

Als europäischer Internet-Spezialist mit rund 11.000 Mitarbeitenden und über 68 Millionen Kunden-Accounts ist es unser Ziel, die digitale Zukunft aktiv zu gestalten. Wir freuen uns auf die zukünftigen Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung.