INTERVIEW MIT RALPH DOMMERMUTH

Herr Dommermuth, wie blicken Sie auf das Geschäftsjahr 2021 zurück?

Sehr positiv. Wir haben unseren Wachstumskurs in der United Internet Gruppe 2021 konsequent fortgeführt und verzeichnen erneut einen Anstieg der wichtigsten Kennzahlen – Kundenverträge, Umsatz und operatives Ergebnis.

Im Geschäftsbereich „Access“ standen auch 2021 die Vorbereitungen für den Start unseres 5G-Mobilfunknetzes im Vordergrund. Nach Abschluss der National-Roaming-Vereinbarung mit Telefónica im Mai 2021, konnten wir im vergangenen Jahr ein starkes Partnernetzwerk aufbauen, allem voran unsere weitreichende Technologie-Partnerschaft mit dem weltweiten OpenRAN-Experten Rakuten. Hinzu kommt unsere Partnerschaft mit dem etablierten Funkturm-Unternehmen Vantage Towers und unser Intercompany-Vertrag mit 1&1 Versatel, die für die Anbindung der Antennenmasten an Glasfaserleitungen sowie die Bereitstellung der 1&1-Rechenzentren zuständig sein wird.

Auch im Geschäftsbereich „Applications“ ging es vorwärts. Während wir unsere Portal-Marken GMX, WEB.DE und mail.com auch durch den vermehrten Einsatz von künstlicher Intelligenz weiter zu umfassenden Kommunikations- und Informationsplattformen ausgebaut haben, hat IONOS im Zuge einer Produkt- und Vertriebsoffensive im vergangenen Jahr erstmals die Schwelle von einer Milliarde Euro Umsatz überschritten.

Als Neueinsteiger und vierter deutscher Netzbetreiber sind sie angetreten, um das modernste Mobilfunknetz Europas zu bauen. Welche konkreten Vorteile bietet der sogenannte OpenRAN-Ansatz gegenüber traditionellen Netzarchitekturen?

Unsere Netzarchitektur nennt sich virtualisiertes OpenRAN und steht für ein offenes, auf standardisierten technischen Schnittstellen basierendes Mobilfunknetz. Im Unterschied zu traditionellen Netzarchitekturen trennt dieser neuartige Ansatz konsequent zwischen Software und Hardware. So wird die Intelligenz des Netzes weg von den Antennenmasten in eine private Cloud verlagert. Unsere Antennen benötigen keine Technikkästen am Antennenfuß und sind leicht austauschbar. In unseren Rechenzentren kommen ausschließlich marktübliche Cloud-Server zum Einsatz. Dadurch können wir verschiedene Software- und Antennen-Hersteller flexibel kombinieren. Wir sind also nicht von einem einzelnen Ausrüster wie Huawei abhängig, der ein in sich geschlossenes, proprietäres System liefert, an dem nichts verändert werden kann.

Zudem werden sämtliche 1&1 Antennen an Glasfaserleitungen angeschlossen, die wiederum mit deutschlandweit über 500 dezentralen Rechenzentren verbunden sind. Cloud-Anwendungen, die hier laufen, profitieren von extrem kurzen Übertragungswegen, die für Echtzeitanwendungen unabdingbar sind. So ist unser OpenRAN in der Lage, das Potenzial von 5G voll auszuschöpfen.

Auch die Bemühungen der etablierten Netzbetreiber, ihre bestehende Infrastruktur in Teilen auf diese völlig neuartige, cloud-native Netzarchitektur umzurüsten, bestätigt uns darin, dass die Zukunft des Mobilfunks virtuell ist.

Im August haben Sie Ihre Partnerschaft mit dem japanischen Tech-Konzern Rakuten bekannt gegeben. Warum fiel die Wahlauf Rakuten und welche Leistungen erbringt das Unternehmen im 1&1 Mobilfunknetz?

Nach mehrjährigen Vorbereitungs- und Entwicklungsarbeiten hat Rakuten als Neueinsteiger in Japan im April 2020 erfolgreich das weltweit erste kommerzielle virtuelle OpenRAN-Mobilfunknetz an den Start gebracht. Und schon heute kann sich dieses Netz mit den Netzen etablierter Netzbetreiber messen. Durch unsere Partnerschaft mit diesem ausgewiesenen OpenRAN-Experten profitieren wir von dessen umfangreicher Lernkurve sowie von vielen wertvollen Erfahrungen, die unser Know-how bei Telekommunikationsnetzen, Cloud-Anwendungen und Rechenzentren ideal ergänzen.

Konkret wird Rakuten die Installation unseres aktiven Netzequipments übernehmen und auch für die Gesamt-Performance des 1&1 Mobilfunknetzes verantwortlich sein. In diesem Zusammenhang stellt Rakuten auch seine speziell entwickelte Orchestrierungs-Software bereit, mit der das OpenRAN hochautomatisiert betrieben wird.

Für den Ausbau des 1&1-Mobilfunknetzes setzen Sie außerdem auf Kooperationen mit etablierten Funkturmbetreibern – dies soll einem schnellen und umweltschonenden Ausbau dienen. Wie funktioniert das im Detail? Wie sind die Ausbaupläne?

Mit der erfolgreichen Teilnahme an der 5G-Frequenzauktion haben wir verbindliche Ausbauauflagen der Bundesnetzagentur (BNetzA) übernommen. Diese sehen die Inbetriebnahme von 1.000 Basisstationen bis Ende des Jahres 2022 vor, eine Versorgung von 25 % der deutschen Haushalte bis Ende 2025 sowie eine Abdeckung von 50 % bis Ende 2030.

„Unser Ziel ist nicht nur, das modernste 5G-Mobilfunknetz Europas zu bauen, sondern auch die Ausbauziele früher zu erreichen.“

RALPH DOMMERMUTH

Um den Ausbau so effizient wie möglich zu gestalten, haben wir im Dezember 2021 einen Vertrag mit dem Funkturm-Unternehmen Vantage Towers – einem der größten Eigentümer von Funkmasten in Deutschland –geschlossen. Dadurch haben wir Zugriff auf mehrere Tausend bestehende Funkmasten, an die wir unsere 1&1 Hochleistungsantennen anbringen. Das spart wertvolle Zeit für aufwendige Standortakquisitionen und schont zugleich Umwelt und Ressourcen.

Unser Ziel ist ganz klar, die Abdeckung von 50 % der Haushalte noch früher zu erzielen als es die Ausbauauflagen vorsehen.

Sie haben es zu Beginn bereits erwähnt. Der Cloud-Anbieter IONOS hat im Geschäftsjahr 2021 erstmals über eine Milliarde Umsatz erwirtschaftet und wies ein Umsatzplus von 12 % auf. Wie erklärt sich dieser Zuwachs und welche Pläne bestehen für das Unternehmen?

Im vergangenen Jahr haben wir eine Vertriebs- und Produktoffensive vorangetrieben, neue Märkte erschlossen und das Markenbild von IONOS weiter geschärft. Dieser Ansatz hat sich ausgezahlt. Auch in diesem Jahr investieren wir in zusätzliche Marketingaktivitäten, um die Markenbekanntheit in den wichtigsten europäischen Märkten weiter zu steigern.

Zudem befinden wir uns mit IONOS in den Vorbereitungen auf einen Börsengang, den wir für 2022 oder 2023 planen. Wir haben viele vorbereitenden Arbeiten erledigt und sind bei einem aufnahmefähigen Kapitalmarkt in der Lage, kurzfristig an die Startlinie zu kommen. Da IONOS wächst und sehr profitabel ist können wir einen günstigen Zeitpunkt abpassen.

Was erwarten Sie vom Geschäftsjahr 2022?

Für das Geschäftsjahr 2022 erwarten wir ein Umsatzwachstum auf ca. 5,85 Mrd. €. Das EBITDA soll trotz zusätzlicher Investitionen in unsere Zukunftsthemen unverändert auf dem Niveau von 2021 bleiben. In dieser Prognose enthalten sind erhöhte initiale Kosten bei 1&1 für den 5G-Netzausbau von ca. 70 Mio. € (Vorjahr: 38 Mio. €) sowie ca. 30 Mio. € für zusätzliche Marketingaktivitäten bei IONOS.

Es ist der Dreiklang aus schnellem Mobilfunk, Glasfaseranschlüssen und Cloud-Applikationen, der den Schlüssel für eine digitale und fortschrittliche Zukunft bildet. United Internet ist hier sehr gut aufgestellt und wird auch in den kommenden Jahren verstärkt in diese Geschäftsfelder investieren.